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Werra: Von Merkers zur Salzkristallgrotte

Samstag, 7. März 2020

Werra: Von Hörschel nach Eschwege

Werra-Tag 4: Das total tolle Tal (oder: Die Kleingartenklippen)

gefahren im: März 2020
Start: Hörschel, Bahnhof
Ziel: Eschwege, Bahnhof
Länge: 52 km
Werraquerungen: 7 (Brücken)
Ufer: etwas mehr rechts als links
Landschaft: Wald und Muschelkalkklippen
Wegbeschaffenheit:
Radwege, Kieswege
Steigungen: wenige leichte
Wetter: sonnig und kühl
Wind: keiner
Highlight: Ebenauer Klippen
Größte Hürde: wenig geöffnete Einrichtungen
Zitat des Tages: "Die Ansiedlung Ebenau liegt auf einem Gleithang der Werra, gegenüber am Prallhang aufragende Felswände der Nordmannsteine mit gut sichtbarem Profil des Unteren Muschelkalks." - Hinweisschild, formuliert von Geologen -

11:30, Hörschel, Kilometer 219 Ich steige in Hörschel aus, fahre unter der gewaltigen Autobahnbrücke hindurch und zwischen Kleingärten auf und ab.

1925, Spichra Das älteste und größte Wasserkraftwerk an der Werra wird in Betrieb genommen und rauscht noch heute vor sich hin.


1211, Creuzburg, Kilometer 125,5 Die Heilige Elisabeth lebt in Creuzburg auf der Creuzburg. Die war vor der Wartburg Hauptsitz der Landgrafen von Thüringen. Deshalb gibt es dort eine Ausstellung über Elisabeth. Weil Elisabeth in der Burg aber keine Corona-Klinik gegründet hat, ist sie geschlossen.


12:07 Ich fahre zwischen Kleingärten hindurch.

12:08 Mehr Kleingärten.

ca. 700 Der Missionar Bonifatius christianisiert die deutschen Heiden und gründet unter anderem in Creuzburg ein Kloster.

12:09 Ich entdecke einen Kleingarten mit einem Stück der ehemaligen Klostermauer drin. Ob die Kleingärtner Christen sind, bleibt unklar.


12:15 Noch mehr Kleingärten.

12:24 Nanu, bin ich aus Versehen zum Grand Canyon abgebogen? Die Werra prallt gegen einen Prallhang und legt harten Muschelkalk frei. Zunächst ist die Sicht noch halb von Bäumen bedeckt.


12:28 Doch auf einer schmalen Brücke habe ich dann volle Sicht auf den grau geriffelten Fels. Die Ebenauer Klippen sehen faszinierend und exotisch aus. Wüsste ich es nicht besser, würde ich vermuten, dieses Foto käme von einem anderen Kontinent, jedenfalls nicht aus Thüringen. Auf der Brücke wachsen nur wenige Liebesschlösser. Diese Sehenswürdigkeit ist ein echter Geheimtipp, sie ist nicht mal in der Fahrradkarte eingezeichnet. Dabei ist das die spektakulärste Stelle im Werratal. Entsprechend überrascht war ich über meine Entdeckung.


12:34, Buchenau, Kilometer 229,3 Ich überquere die Werra auf einer nicht sehr vertrauenerweckenden Brücke.

12:35 Am anderen Ufer ist nur eine Hauptstraße und eine Bushaltestelle. Ich stelle fest, dass ich mich auf der Karte verguckt habe, und kehre um.


13:11 Und noch eine auffällige Brücke, diesmal in Dunkelblau. Und diesmal muss ich wirklich rüber.


ca. 1800, Frankenroda, Kilometer 240 Weil es so nervig ist, immer den Fährmann zu rufen, bauen sich die Frankenroder einen Steg. Er ist aber nicht so stabil und geht im Winter und bei Hochwasser kaputt. Deswegen wird er zur Wintersaison meistens von allen gemeinsam abgerissen, was etwa 2 Tage dauert. Der Aufbau im Frühling dauert sogar 4 Tage.

1977 Frankenroda bekommt eine richtige Brücke, der Steg wird abgerissen. Die Dorfbewohner sind ihm aber emotional so verbunden, dass sie ihm ein Denkmal auf den ehemaligen Brückenköpfen errichten. Außerdem stellen sie Hochwasser-Messlatten auf (Rekordhalter ist 1909) und beschriften alle Baumarten.


13:33 Noch mehr Klippen! Ich liebe diese Strecke. (Natürlich gibt es zwischendurch oft längere Abschnitte mit Wald ohne Klippen, auch wenn ich das nicht immer zeige.)


1525 Thomas Müntzer, über den wir im Geschichtsunterricht unter dem Titel Reformator oder Revolutionär? referieren sollten, predigt von der Bauernkanzel (links) zu den Bauern. Er teilt ihnen mit, sie sollten an den Bauernkriegen teilnehmen und Adlige abschlachten. Tun sie dann auch, bringt ihnen aber keine Verbesserung.


13:52, Falken, 244 Ich betrete den Blauen Schrank, eine kleine Hütte mit saunaähnlicher Temperatur. Dort verkauft ein Biohof Wurst, Kaltgetränke, Tee, Eis und Senf gegen Kasse des Vertrauens. Mit einem Eierlikör-Eis verlasse ich den Schrank wieder.


14:15, Treffurt, Kilometer 249,5 Treffen sich drei Furten. Sagt die erste: Hey, da ist eine Stadt. Sagt die zweite: Hm, wie könnten wir sie nennen? Sagt die dritte: Benennen wir sie doch nach uns!


14:28 Ich wechsle an einem ordentlichen Grenzhäuschen von Thüringen nach Hessen. Auf dem Erdwall da drüben verlief höchstwahrscheinlich der Grenzzaun der DDR. Erde und Gestein haben wieder einmal einen rötlichen Ton, Sandstein unterbricht den Muschelkalk.


 14:29 Ich durchquere den Wall in einem recht fotogenen Tunnel.


1962 Die DDR errichtet hier eine Fluchtsperre quer über die Werra, also ein Gitter, das bis zum Grund reicht. Lediglich Wassermoleküle und kleine Fische können dem Arbeiter- und Bauernstaat entkommen.

Foto im Grenzmuseum Schifflersgrund (auf der nächsten Tagesetappe)

ca. 1680, Wanfried, Kilometer 261,5 Die Kaufleute machen durch den Handel am Fluss eine Menge Geld, anders als in vielen Fachwerkstädtchen macht ihnen nicht einmal der Dreißigjährige Krieg vollends einen Strich durch die Rechnung. Ihre Waren verschiffen sie am historischen Hafen namens Schlagd. Sogar Anton Harmes, ein reicher Kaufmann aus Bremen, baut sich hier eine Niederlassung.


17.10.1753 Herr Harmes wird tot im Harmesschen Handelshaus aufgefunden. Warum? Der Legende nach wurde er nach dem Tod von Frau und Kind zum posttraumatisch belasteten geldgierigen Irren, sodass er nicht einmal zu deren Beerdigung gehen konnte. Er sah die Särge nur durch ein Loch im Dachboden. Als er dann eines Nachts in seiner Geldtruhe wühlte, schlug der Deckel zu und durchtrennte seinen Hals. Tatsächlich vermutet die Stadtchronik einen Selbstmord durch Halsaufschneiden. Er soll in dem Haus spuken und manchmal bei Beerdigungen durch das Dachbodenloch zusehen. Wer ihn erblickt, soll innerhalb eines Jahres sterben. Ich habe ihn nicht gesehen, also alles gut.


17.9.1945 Das Wanfrieder Abkommen wird hier geschlossen. Dabei tauschen die Amerikaner ein paar Dörfer mit den Sowjets. Dadurch verläuft zumindest eine der Eisenbahnlinien einheitlich auf amerikanischem Gebiet und nicht für 3 Kilometer in die Ostzone. Bei der Durchfahrt gab es vorher immer Verspätungen, einmal erschoss ein sowjetischer Soldat sogar einen Lokführer.

15:36 Ein asphaltierter Radweg führt durch das Tal, das nun wieder ziemlich breit ist. Ich fahre zwischen einigen Teichen zur Fischzucht hindurch.

15:47 Nun soll eine sogenannte Freiluftgalerie erfolgen. Ist das schon die erste Skulptur? Vielleicht soll das die rohe, kantige und schmutzige Seite des menschlichen Wesens darstellen, die... ach nee, ist ein Stromkasten.


15:51 Aber jetzt! Diese Skulptur heißt Begegnung am Meer. Sie zeigt auf zwei großen Buchseiten einen sitzenden Menschen und einen Mond oder so, ein Meer erkenne ich nicht. Es ist also fraglich, ob dieses Kunstwerk einen Meerwert hat.
Praktisch: Damit es bei Regen nicht rostet, wurde es schon völlig verrostet aufgestellt.
Später hat die Galerie noch ein weiteres Kunstwerk, das sogar noch abstrakter aussieht.

15:57 Ich erreiche den Leuchtberg (hinten). Nur er steht noch zwischen mir und meinem Ziel. Er leuchtet zwar nicht, aber dafür verbirgt sich in seinen steilen Wäldern ein Kletterwald.


16:02 Ich kann den steilen Leuchtberg zum Glück umfahren. An seinem Fuß mache ich eine Teepause. Ein Bach plätschert. Direkt hinter der Bank liegen eine Reihe Steine im Bach, die das Plätschern erzeugen. Ansonsten liegen nirgendwo so viele Steine. Ich frage mich, ob die jemand extra dort platziert hat, damit auf der Bank ein idyllisches Plätschern zu hören ist.


16:07 Direkt neben dem Weg verläuft die Werra, dahinter der große Werratalsee. Der Name ist vielleicht etwas einfallslos, passt aber sehr gut. Der See sieht aus wie die Werra in breiter, er hat dasselbe vertrocknete Schilf und dieselbe graublaue Farbe des Himmels.


ca. 1000, Eschwege, Kilometer 271 Kaiser Otto vermacht seiner Frau Theophanu (welch schöner Frauenname) eine Siedlung als Altersvorsorge. Ihre Tochter Sophie gründet ein Kloster. Dank dieser Frauen entwickelt sich Eschwege an der günstigsten Taldurchquerungstelle zur "Stadt der Gerbereien".

16:16 Ich bin in Eschwege angekommen. Fachwerkhäuser gibt es auch hier straßenweise. Das eindrucksvollste Gebäude aber ist das Landgrafenschloss. Ja, auch da saßen mal die Thüringer Landgrafen drin, die wir schon von der Wartburg und Creuzburg kennen. Die konnten sich wohl echt nicht für eine Burg entscheiden. Heute ist darin die Kreisverwaltung anzutreffen.

16:36, Eschwege, Bahnhof Ich steige in den Zug zurück.


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